Bard Miraclyst -
Mystik & Maschine

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In der Evangel. Universitätskirche:

inmitten der Bögen steht einnehmend der kahl geschorene Jesusleib am machtigen Holzkreuze vorne] darunter kreisen sich die Stühle für die Damen u. Herren Musiker] heimliches Murmeln - wie es sich für eine Kirche gehört - wird von der Erwartung übertrumpft - die Leute spüren es, daß es keinen Gottesdienst in der üblichen Litanei werden wird] der Kirchensaal ist zu hell, zu leicht für eine sakrale Gothik / bleibt abzuwarten, ob gefühlsgreifende Strudel sich am Haupte verkrummen / allmählich senkt sich der profane Ton; ein befremdendes Gefühl, nach so langer Zeit wieder den Geruch dieses Gotteshauses in sich aufzunehmen => ich sterbe ABER nicht daran, es scheint sich zusammen fügen zu wollen] wenn auch der christl. Geist hier durch die Köpfe wirbelt, gesellt sich allerhand anderes, unglaubendes Volk unter die Zuhörer / vorne steht ein Steinrelief mit einem Magier mit "gebender Gestik" => von rechts fährt ein grobschlächtiges Schwert in seinen Mund; dies soll ihm wohl des Kampfes Worte in das Organon verbi legen / die linke Hand umkränzt von Sternen an der Zahl sieben, und sitzend auf einem Wolkenschweif, aufgesplittert in mehrere Farben / der neue, menschgewordene Gott, der unseren Bänken näher ist, ein Gerät mit elektronischen Spulen, vor dem Kreuze] Eine Reise in den Wahnsinn, steigend von einem schier unaushaltbaren Zupfen der einzelnen Saiten; man wollte schon sterben vor Erregung, das Worten geworden zu einer Qual, zugleich dann ertönte ein wahrlich teuflischer Sturm (furor diabolicus) ; riß alles nieder in eine dunkle Nacht, gerissen entzwei durch den tönenden Baß / eine Apokalypse phonisch gekleidet in diesen weiß getünchten Tempel Dei] die Reise in den Wahnsinn setzt sich fort => eine schrille Beschwörung aller Dämonen dieser und der jenseitigen Welt, ein Sturm der über alles fegt, umgeben von Klangwelten, hinweg getragen in ferne Welten, dort aufgezehrt von geistigen Kräften, das Ich vollständig weggeschwebt, aufgedröselt in eine Staubessenz, mitgerissen in einen Höhepunkt nach dem anderen, selbst zum Element werdend] das psychonautische Denken, die Augen stülpen sich nach inne, Rausch, Rausch, Rausch Unruhe, Unruhe, man muß hier schweigen, selbst zurückkehren] mit dieser Musik beschreitet man tiefreligiöse Gefilde, welche nun aber nicht beschränket werden können auf eine ganz spezielle Schwärmerei, so tiefreichend in das hinterste Eck der rußigen Seele, daß es werden möge zu Ritual, einer Zeremonie, beherbergt von einer Ecclesia - selbst greift es jedoch in einen Fundus der obskuren Kreationen, eine durchschlagende Gewalt im Hirn, welches folgt der Tritönerei, ein Musikstück in einer unterdrückten Tonart geschrieben, dann nun in einem neuen Äon durchbricht; die Kirche von der niederwalzenden Einheit der Musik überrascht, eine Sprach ohne Grenzen, sucht sich ihren Weg - schleicht sich ein ins Köpfchen, setzt das Denken aus, verliert sich im Taumel - die Sinne im Wahne können nicht mehr sich lossagen von der Kraft der Musik; es bricht herein, wie Kleistens Cäcilie, scharrt diese Musik tief hinein - die Halle erschien durch das Flimmern der Kräfte bombastisch, wollt mich aber kaum erdrücken, sondern kosmisch hoch hats gezogen, umgeben von Tönen, tiefsten Molekülen, umgeben von Mystik und Maschine.....

Der Gedanken erhöht zum Himmel, der Körper gebannt in die Maschine, aufzunehmen das überwahnsinnige Spektrum. Töne überall, ich selbst einer!] Ein stilles Wehklagen, ein vergebliches Greifen nach dem richtigen Ton. Immerzu eine Annäherung an den höchsten [Ton]. Höllentrommeln donnern den Schlachtruf hinaus, wie kann das Gemüt solch grausame Musik empfinden, eine einzig wahrhafte Ode an das Dämonische, die Angst vor dem Unbewußten. So kühl & gefühlsvoll die Hammerschlagwerke, dazu zurren die Geiger auf den Nerven, eine unerhörte Steigerung verzehrt den Gefühlsdrang. Und beruhigend prasselt da noch der Regen an die bunten Gläser der Kirchenfenster. Ständig sendet der Sender Impulse aus, die aufgefangen werden sollen. Glöckelein klinge schön & rein, so kommst du in das Herze hinein! Schwelge im drohenden Gebärden der Instrumente, jedes Heben der resonanten Brust drängt sich an die Ohren, man faßt sich wie wilde an den Kopf, er möchte sich zerspringen, in alle Teule einzeln! Dieser Schlachtruf - gewaltiger als ein Marschall, ruft unaufhörlich, das Gotteshaus möge beinahe stürzen zu Erden und Aschen. Und das gefüllte Gotteshaus klatscht in die Hände, bis rot gescheuert sie sind.]

Verfaßt am 26.10.00 in das Programmheft der gleichnamigen Konzertreihe.

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