Endzeit-Manifest
(von 'Zardoz
Christian Schönwetter)

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Wir leben am Ende der Zeit! Immer noch -oder besser wieder- beherrscht uns eine Untergangsstimmung, resultierend aus dem Ende der alten Ideologien und Werte. Die letzten Verfechter des modernistischen Fortschrittsglaubens verstummen in dieser Zeit der Resignation. Die Gläubigen an eine Besserung über den politischen Kampf stimmen heute ein in das allgemeine Schweigen. Die letzten Dichter klammern sich an das sinkende Land der Kultur in äußerster Verzweiflung. Und immer sind es die gleichen bohrenden Fragen, die das Hirn aufschäumen: Worin liegt Wahrheit, wo ist Schönheit zu finden, was macht den Menschen aus und vor allem: was ist heute von noch übrig von dieser Substanz?

Mag auch das Ende des irdischen Lebens, wie wir es in Weltkriegsvisionen des Atomzeitalters so beständig vor Augen hatten, in (scheinbare) Ferne gerückt sein, aber dennoch befinden wir uns mitten in einem Zerfallsprozeß, der wie eine geheime Krankheit in alle Teile der Gesellschaft vordringt, unheilbar ein langes Siechtum bringt und schließlich unweigerlich zum Untergang führt - unsere Kultur ist im Sinken! Betrachtet man den öffentlichen Diskurs, so ist es still geworden um die Philosophie, die Rhetorik, es herrscht allüberrall nur. nur Schweigen. Kein großer gestaltender Geist, kein Celan oder Benn ist zu sehen- die Post-Moderne zerfällt in die Bedeutungslosigkeit. Unsere Zeit befindet sich im freien Fall, nur wartend auf den finalen Aufprall am Grunde des Abgrunds.

Evident die Diskrepanz zwischen der fortschreitenden Bedrohung und Zerstörung des Lebensraums um uns einerseits - Ausbeutung der Umwelt, Folter, Hunger und Mord in der dritten Welt, atomare Bedrohung durch marode Raketen und Kraftwerke, usf, - und andererseits die Entwicklung des öffentlichen Lebens - umstellt von Waschmittelwerbung und Talkshows mit weltbewegender Thematik, konsumbejubelnde Seichtmusik von Waschbrettboygroups und Bikini-braunen Soul-Sängerinnen und Hitparaden der Volksmusik - so ist der eine Schluß nicht zu umgehen: unaufhaltsam wankt unsere Gesellschaft dem Kollaps entgegen. Der Mammon hat gesiegt! Der Konsum hat uns alle eingesponnen in sein Netz, unsere Hirne weichgespült und unseren freien Willen gebrochen - - es gibt kein Entkommen!

Diesem Phänomen ist aber weder mit Weltuntergangsstimmung zu begegnenen, noch mit dem allgemeinen Ausruf eines Neubeginns. Denn beides wird nicht geschehen- die Gleichgültigkeit wird letzten Endes siegen; und nichts wird sich zum besseren verändern, die Jahrtausend-Wende findet nicht statt!
(Januar 1999)

 

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