Lovecraft & die Grundlagen von 'AeonIkon'
'Zardoz' Ch. Schönwetter

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...zur ersten Printausgabe von AeonIkon
 
Als Einführung zur ersten Nummer dieses Magazins möchte ich mich mit einigen Sätzen einer Erzählung von H.P.Lovecraft „The Silver Key“ beschäftigen, die unser Anliegen trefflich illustrieren. Ich werde zu den einzelnen Abschnitten keine direkte Übersetzung liefern, um die Schönheit der Sprache nicht zu stören. Für alle die des Englischen nicht ausreichend mächtig sind, werde ich aber die Essentialia im Text zusammenfassen.

[I]
Well-meaning philosophers had taught him to look into the logical relation of things, and analyse the process which shaped his thoughts and fancies. Wonder had gone away, and he had forgotten that all life is only a set of pictures in the brain, among which there is no difference between those born of real things and those born of inward dreamings, and no cause to value the one above the other.“ (1)

Jeder Mensch durchläuft diesen Weg: die Freiheit, die wir als Kinder noch besaßen, wird nach und nach graduell verdrängt durch ein strenges Korsett an Regeln und Gesetzen, die von der Gesellschaft aufgestellt werden. Und die Gesellschaft ist verantwortlich vor allem für die moralische Bewertung der Ansichten: was im Kollektiv als wahr gelten soll, ist das Richtige, alles andere ist unwahr. Gerade die Träume und Phantasien des Einzelnen, die nicht ins Bild der Gesamtheit passen; die zu radikal oder zu fortschrittlich sind für die Massen, werden als Irrsinn oder Spinnerei abgetan. Viele, die glauben wir lebten in Freiheit, sehen gar nicht, wie sehr wir in einem Kollektivismus befangen sind, in dem alle Wahrheiten und Werte von oben diktiert werden.
 

[II]
[Society] had chained him down to things that are, and had then explained the workings of those things till mystery had gone out of the world. When he complained, and longed to escape into twilight realms where magic moulded all the little vivid fragments and prized associations of his mind into vistas of breathless expectancy and unquenchable delight, they turned him instead toward the newfound prodigies of science, bidding him find wonder in the atom’s vortex and mystery in the sky’s dimensions. And when he had failed to find these boons in things whose laws are known and measurable, they told him he … was immature because he preferred dream- illusions to the illusions of our physical creation.“ (1f)

Schließlich die Bildung hin zum Erwachsenwerden, da alles Träumen als  Schwäche und als Unreife hingestellt wird von den vertrockneten Alten, deren Phantasie mit ihrer tiefen Verkrampfung verschwand. Eine Zeit, in der die staatliche Institution Schule dem jungen Geist jene globalen Wahrheiten einimpfen will, alle unter dem neuen Götzenbild ‚Wissenschaft’ als Dogmen statuiert, die nicht diskutiert und nicht bezweifelt werden dürfen. Mehr noch an den Universitäten, die allesamt nichts sind, als Tempel des neuen Götzen, und die Weltordnung der einen Wahrheit verkörpern, die immer Lüge bleiben muß!
Denn gerade wer die ewigen Kräfte des Kosmos, das Wunder der ewigen Bewegung sucht, muß sich von allen Dogmen befreien. Dieses Freidenkertum fordert eine Anarchie der Gedanken, fordert die Grundlage, alle festgefügten Wahrheiten zu leugnen, anzuzweifeln. Denn in unserem vom Chaos regierten Universum gibt es nichts Festes, keinen eingeschriebenen Sinn und keine Richtung. Alles ist vom Geiste erschaffen für den Moment, in der Wahrnehmung gefügt, aber kann ebenso bald vor unseren Augen als Illusion erkennbar werden und wie die Traumgebilde zerfallen, die als ‚irreal’ abgetan werden.

[III]
„…first…turned to the gentle churchly faith endeared to him by the naïve trust of his fathers, for thence stretched mystic avenues which seemed to promise escape from life. Only on closer view died he mark the starved fancy and beauty, the stale and prosy triteness…and the grotesque claims of solid truth which reigned boresomely and overwhelmingly among most of its professors; or feel to the full the awkwardness with which it sought to keep alive as literal fact the outgrown fears and guesses of a primal race confronting the unknown.“ (2)

Dem Menschen auf wahrhafter spirituell-mystischer Suche, der auf diesem Wege die Pfade der Religionen kreuzt, muss ein jedes dieser starren Systeme anwidern. Der Freidenker mag die dunkle Schönheit des Mystischen zwar schätzen, nicht jedoch seine überkommenen Dogmen, die den absoluten Glauben an ihre Wahrheit einfordern. Denn der wahrhaftig spirituell Suchende wird früher oder später zum mystischen Freigeist – zum ‘Heiden’ aus der Sicht der Religionsfanatiker – werden, angezogen von der völligen Unabhängigkeit der Erkenntnis im eigenen Erleben, im Sinne der Gnosis. Dagegen macht das Christentum, wie jede institutionalisierte Religion, den Menschen abhängig und schwach, verbietet  ihm eigenes Fortdenken und setzt ihm eine fertige Dogmatik vor, wie einen Schweinetrog. Dies aber ist unvereinbar mit einem Bild vom freiverantwortlichen Menschen! So muss ein jeder frei Denkende sich schließlich lösen von der autoritären Religion und andere Wege der Erkenntnis suchen.

[IV]
„But when he came to study those who had thrown off the old myths, he found them even more ugly than those who had not. They did not know that beauty lies in harmony, and that loveliness of life has no standard amidst an aimless cosmos save only its harmony with the dreams and feelings which have gone before and blindly moulded our little spheres out of the rest of chaos… so that their lives were dragged out malodorously out in pain, ugliness, and disproportion, yet filled with a ludicrious pride at having escaped from something no more unsound than that which still held them.“ (3)

Auf der anderen Seite ist der neuzeitliche, wissenschaftliche Atheismus eine große Gefahr. Denn das kleinbürgerliche Denken bedroht die Seele ebenso wie die christliche Angst.
Unter vorgeblicher Weltanschauungsfreiheit, wird dem Menschen ein Weltbild vorgezeichnet, das die Wissenschaft, in Einheit mit Politik und Wirtschaft konstruiert. Ähnlich wie dereinst die Fesseln des Christentums ist es ein Mittel der Unterdrückung, ein Versuch, die Gedanken zu binden. Dieses moderne ‚Weltbild’, in dem alles als erforschbar und enträtselbar vorgegaukelt wird und diese drei Säulen des konservativ den status quo verteidigenden Staates sich als Hohepriester der einen Wahrheit darstellen. Sei es in den Schulen und Hochschulen, den Medien oder sonstigen Quellen – immer manifestieren sich nur die generalisierten Wahrheiten: dass die Welt „real“ und unveränderbar ist; dass Traumwelten und Utopien nicht existieren können, da wir ohnehin in der besten aller Welten lebten; dass technischer Fortschritt unaufhaltsam sei und verbunden mit stetiger Verbesserung des Daseins; schließlich, dass kein Platz sei für Phantasmen und Zauber in dieser Welt, außer denen, die für die Herrschenden, die Konzerne und Trusts in Geld zu verwandeln sind.

Mit der Befreiung von dem moralisierenden Gott brach eine viel schlimmere Gefangenschaft über uns herein - nämlich die Knechtschaft unter dem Götzen Mammon, dem Dämon des materiellen Reichtums! Denn dessen Hohepriester machen sich zum Lenker unserer Geschicke – ein Lebensbild diktiert von den Oberen; keine freie Wahl des Handelns bleibt doch in diesem System, wo selbst die scheinbar Mächtigen der Politik nur Marionetten sind von Großkonzernen und diese dienen wiederum nur ihrem Götzen, dem Geld.
Beherrscht von den Oberen drohen wir auf ewig Herdentiere zu bleiben, zufrieden in unseren festen Bahnen und verblendet von der ewigen Mast des Wohlstands.
Denn siehe - dies ist die ewige ILLUSION! Dass wir da glauben an eine objektive Wirklichkeit und vorgegebene Weltordnung, ohne zu merken, dass wir uns dadurch wie Schafe der willkürlichen Herrschaft derer beugen, die diese Systeme definieren.
 

[V]

Zusammenfassend nur dieses: Beschrieben ist bei zitiertem Text Lovecrafts der Weg des Magiers, des Künstlers im allgemeinen oder vielleicht jedes Menschen. In der Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen verlieren wir soviel an Wahrnehmung und an Fülle in der Welt, dass in einigen ein Gefühl von Leere und Sinnlosigkeit erwacht. Die Suche nach Tiefe, also der Versuch, das verlorene Paradies kindlicher Unschuld und Sehkraft wiederzuerlangen, gestaltet sich umso schwieriger, je systematischer verschüttet dessen Wurzeln sind.

Das Schlüsselwort ist die Imagination : Ein Mensch, Künstler, Magier braucht diese über die Sinne hinaustragende Fähigkeit, um sich eine erfüllte Welt des Geistes zu erschaffen, die seit Anbeginn der Zeit da ist,  sich in unseren Träumen manifestiert und all jenen verloren geht, die sich von der Maschinerie austrocknen lassen. Mehr noch als die Phantasie ist Imagination die Formung von Bildern & Welten im Inneren, die Um-Formung von Materie in die inneren Gesichte, die allen intuitiven Ausdrucksformen eigen sind.

Daher sei dieses Kompendium allen Praktizierenden der imaginativen Künste, den Schreibern und Lesern der Phantastik, den Suchenden und Faszinierten von Occulta und Magie ans Herz gelegt; und wir hoffen, die Erneuerung der Künste ein wenig voranzubringen – für die Durchbrechung der Gefangenschaft und Freiheit des Geistes von aller Täuschung!
 

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