individuelles Waldritual
frater Arator

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Jeder und Alles ist ein Teil des großen Ganzen, nennen wir es nun Erde, Welt, Kosmos oder schlicht Natur. Und in Jedem und Allem ist jene Kraft zu spüren, die man bezeichnet als das Magische oder Göttliche. Wenn wir uns auf diese Leitgedanken besinnen, können wir jeder auf unsere eigene Weise versuchen, Teilaspekte des Magischen selbst zu erfahren. Eine Variante, solche Erfahrungen zu erlangen wird gemeinhin als Ritual bezeichnet. Meist werden solche Rituale in Gruppen durchgeführt und sind oftmals bis hin ins kleinste Detail vorgeschrieben und werden von diesem Gruppen in immer der selben Art und Weise ausgeführt. Ich möchte hiermit eine Möglichkeit vorstellen, wie man für sich persönlich oder auch in kleinen Gruppen ganz individuell bestimmte Erfahrungen machen kann. Wahrscheinlich werden viele Leser Parallelen erkennen zu bestimmten Ritualen oder shamanistischen Vorgehensweisen, diese sind vielleicht nicht beabsichtigt, sind aber keineswegs falsch. Als Bezugspunkt habe ich den Wald gewählt (den ich persönlich oft als mein Element ähnlich dem Krafttier ansehe). Wenn Dir es zu albern ist, eine solche Handlung zu vollführen, dann setz Dich hin und denk nach und warte, bis Du Deine Meinung geändert hast, oder laß es ganz bleiben.
 Alles was Du für eine solche Handlung brauchst, ist ein Wald. Ein klarer Kopf wäre auch nicht schlecht (ich bin gegen Drogenerfahrungen...). Der Begriff Wald ist in diesem Fall eher breiter zu begreifen, eine Ansammlung von Bäumen in einem ruhigen Park kann dafür gut und gerne ausreichen. Die beste Tageszeit ist auf jeden Fall die Dämmerung, sei es nun die Morgen- oder die Abenddämmerung. Das Wetter kann man nicht wirklich auswählen, am angenehmsten ist es aber wohl in einer lauen Sommernacht.

 Mache Dich frei von allem was Dich festhält. Das ist vielleicht leichter gesagt als getan, jedenfalls solltest Du genügend Zeit mitnehmen, also in den nächsten Stunden keine Termine haben. Lasse Uhr und Geldbeutel zurück. Befriedige elementare körperliche Bedürfnisse wie Toilette, Essen, Trinken und Waschen, so daß Dich später nichts ablenkt. Kleide Dich leicht und unbeschwert, dem Wetter entsprechend. Im Sommer ist es das beste, im Wald selbst dann sogar nackt zu sein, in öffentlichen Parks wird das bekannterweise nicht so gerne gesehen. Die jetzt folgende Reihe von Handlungen ist in drei Stufen aufgeteilt:

- Sich in den Wald begeben - Den Wald begreifen - Eins werden mit dem Wald.

 Gehe in den Wald hinein. Hier kommt jetzt wieder die Individualität des Einzelnen, da jeder unter 'in den Wald hinein' etwas anderes verstehen wird. Gehe einfach so weit, bis Du das Gefühl hast, ganz vom Wald umgeben zu sein. Wenn Du glaubt, das Gefühl täusche Dich, dann gehe jetzt nochmal halb so weit, wie Du schon gegangen bist. Auf dem Weg kannst Du einige Dinge aufklauben, im Einzelnen sind das: ein paar kleine Stöckchen, die, die man als Kind auch mitgenommen hätte, ein paar Zapfen und Laubbaumfrüchte wie Kastanien oder Eicheln, einige Grashalme, wenn Du Sie findest auch ein paar Beeren. Nun suche Dir ein Plätzchen das ruhig und trocken, angenehm weich gepolstert und Dir ganz allgemein gefühlsmäßig behagt. Dort setze Dich hin und versuche Ruhe zu finden. Sitze einfach nur da, solange bis Du Dich etwas entkrampft hast, als Hilfe dazu kann man auch leichte körperliche Übungen wie z.B. Armkreisen vollführen.

 Auf diese Weise entspannt versuchst Du nun den Wald in seiner äußeren Erscheinungsform vollständig zu erfassen. Der heutige "zivilisierte" Mensch baut sein äußeres Weltbild durch die Daten auf, die sein Gehirn über die fünf Sinne (bei den meisten in der Reihenfolge) Augen, Tastsinn, Ohren, Geruchs- und Geschmackssinn, hinzu kommt beispielsweise der Gleichgewichtssinn. Beginne also, den Wald zunächst mit diesen Sinnen bewußt kennenzulernen. Schau um Dich und präge Dir das gesamte Panorama ein, blicke zunächst das ganz Nahe um Dich herum an, die Dinge, die Du vorher gesammelt hast. Schaue dann in die direkte Umgebung und versuche schließlich den Hintergrund nicht als Hintergrund, sondern als Verlängerung des Vordergrundes zu sehen. Achte darauf, ob sich - rein visuell - Veränderungen ereignen, Ereignisse und Bewegungen, hervorgerufen durch die Pflanzen und die Tiere des Waldes. Jetzt ertaste den Wald - natürlich erfährt man zunächst, daß der Tastsinn eine geringere Reichweite hat, als das Auge und fühle, wie der Waldboden sich auf der Haut Deiner Hände anfühlt. Nimm etwas Erde und laß sie über Deine Arme oder Beine auf den Boden zurück gleiten, nimm wiederum etwas Erde und lege sie auf Dein Gesicht. Die gesammelten Dinge kann man auch alle einzeln erspüren: nimm einen Stock und zerbreche ihn, nimm einen zweiten und ramme ihm in den Boden, nimm einen dritten und wirf ihn weg, streiche Dir mit dem Grashalm über die Arme. Als nächstes sind die Ohren dran: schließe die Augen und höre. Höre den Wind in den Bäumen, die knackenden oder ächzenden Äste und Stämme, höre die Vögel wie sie singen und versuche den Schlag ihrer Flügel akustisch wahrzunehmen, höre die Kleinsäugetiere, die Mäuse und Eichhörnchen, wenn man Glück hat kann man auch einen Marder oder Luchs hören, höre die Insekten, höre den Bach im Hintergrund, wenn Du das Gras wachsen hörst, dann machst Du es auf jeden Fall richtig. Mit Geschmacks- und Geruchssinn ist es vielleicht etwas schwerer, da die Barriere des Ekelgefühls bei den Einzelnen sehr verschieden sein kann. Lutsche und zerbeiße die Waldbeeren, kaue auf dem Grashalm, beiße wie ein Hund auf den Stock und schmecke jeweils bewußt. Rieche an der Erde, an den Bäumen, an den Zapfen, wenn sie frisch sind kann man oft einen süßlichen Harzgeruch erkennen, grabe mit dem Stock ein kleines Loch in den Boden und rieche den Moder, stell Dich hin, streck Dich und rieche den Wind. Als letztes drehe Dich solange oder schlage Purzelbäume, bis Dir schwindlig wird, versuche absichtlich Deinen Gleichgewichtssinn zu verwirren, indem Du den Kopf immerzu schief hältst, mache einen Handstand oder schlage ein Rad, es muß nicht gut aussehen, nur schnell muß es sein, und verwirrend.

 Setze Dich nun abermals hin und fühle. Spüre zunächst mit allen Sinnen gleichzeitig, versuche dann, das zu erkennen, was Du fühlst, was aber nicht von den herkömmlichen Sinneseindrücken zu kommen scheint. Assoziiere, was fällt Dir ein, wenn Du an den Begriff Wald denkst? Versetze Dich zurück in Urzeiten, als die Menschen noch Jäger und Sammler waren. Stell Dir vor, Du würdest Dein ganzes Leben im Wald verbracht haben und auch Dein gesamtes zukünftiges Leben im Wald verbringen. Akzeptiere Dich als Teil des Waldes und spüre, wie die Kraft des Waldes durch Dich hindurch strömt. Der Wald spendet Luft und Boden, ist Heimat von mehr Tier- und Pflanzenarten als man zählen kann. Der Wald ist ein Kosmos für sich und Teil des großen Kosmos. Siehe den Wald als etwas wunderbares, etwas einmaliges, großes und unbegreifliches, was man aber doch erfassen kann. Fühle das Wunder des Lebens, wie es sich im Wald manifestiert. Und Du bist ein Teil dieses Waldes, DU BIST WALD.

 Beruhige und entspanne Dich, genieße den Augenblick, und kehre schließlich zurück ins hier und jetzt, in Deinen Körper. Das war nicht wirklich ein Ritual im strenggenommenen Sinne, aber ist sicherlich eine Erfahrung wert. Nimm von Deiner Reise etwas mit, einen Zapfen oder eine Kastanie, sodaß Du Dich immer an diesen Moment erinnern kannst, als Du eins warst mit dem Wald. Viel Spaß!
 

 

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